Kritik20. August 2020

Netflix-Kritik «Verbrechen verbindet»: Gerichts-Thriller mit wenig Thrill

Netflix-Kritik «Verbrechen verbindet»: Gerichts-Thriller mit wenig Thrill
© Netflix

Das Leben von Alicia steht plötzlich Kopf, als ihr Sohn Daniel der Vergewaltigung seiner Ehefrau beschuldigt wird. Zwar versucht Alicia nun alles, um ihren Sohn vor einer Haftstrafe zu schützen, doch leider bleibt in «Verbrechen verbindet» gerade die für einen Thriller so wichtige Spannung auf der Strecke.

Filmkritik von Waldemar Witt

Im argentinischen Thriller «Verbrechen verbindet» (Originaltitel: «Crímenes de familia») scheint das Leben von Alicia (Cecilia Roth) vor ihren Augen zu zerbrechen. So wird ihr Sohn Daniel (Benjamín Amadeo) plötzlich der Vergewaltigung seiner eigenen Ehefrau (Sofía Gala Castiglione) beschuldigt.

Nahezu zeitgleich wird auch Alicias Kindermädchen Gladys (Yanina Ávila) wegen einer grauenvollen Tat angeklagt. Auch wenn die beiden Gerichtsprozesse zumindest für Alicia überhaupt nichts miteinander zu tun zu haben scheinen, ist der weitere Verlauf dieses Thrillers für den Zuschauer schon bald absolut offensichtlich.

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«Verbrechen verbindet» präsentiert sich stilistisch als ernstzunehmendes Drama und Charakterstudie seiner Figuren. Dabei wird dem Zuschauer ein Gerichts-Thriller geboten, der zwar optisch und darstellerisch zu überzeugen mag, doch leider kaum mit seiner Handlung.

Wenn es zunächst so scheint, als sei die Vergewaltigungsanschuldigung und der Gerichtsprozess um Sohn Daniel der Hauptfokus der Handlung, ist dem tatsächlich nicht so. Vielmehr konzentriert sich der Film auf den Gerichtsprozess bezüglich dem Kindermädchen Gladys, was den Grossteil der gesamten Handlung für sich einnimmt. Um welche verhängnisvolle Tat sich dieser Prozess dreht, sei hier aus Spoiler-Gründen nicht erwähnt.

Die Idee von Regisseur Sebastián Schindel funktioniert nur bedingt.– Cineman-Kritiker Waldemar Witt

Währenddessen verläuft die Handlung des Films achronologisch: Man springt zwischen Vergangenheit (vor der Tat) und Gegenwart (nach der Tat bzw. im Gerichtsprozess) in gleichmässigen Abständen vor- und zurück. Regisseur Sebastián Schindel versucht auf diese Weise sowohl einen Grad an Spannung zu erzeugen als auch den Zuschauer dazu anzuregen, die „Puzzle-Teile“ der gesamten Wahrheit um die beiden Fälle selbst während dem Verlauf des Films zusammenzufügen – leider funktioniert dies nur bedingt erfolgreich.

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Denn so wirken die beiden Gerichtsprozesse um Daniel und Gladys leider für den Grossteil des Films einfach zu auffällig unverbunden miteinander, sodass leider gerade dadurch der weitere Verlauf der Handlung und vor allem die finale Wendung sofort enttäuschend vorhersehbar wirken. Dass die „Wahrheit“ dabei nicht durch aufwendige Nachforschungen von Alicia oder der Polizei aufgedeckt wird, sondern dadurch, dass eine der Figuren sich dazu entschliesst, die Wahrheit zu offenbaren, raubt dabei der Spannung des Films das letzte Potential.

Der Thriller entpuppt sich als überraschend blass und vorhersehbarer.– Cineman-Kritiker Waldemar Witt

Abseits des Gerichtsprozesses beleuchten diverse Szenen um das komplizierte Familienleben Alicias die Figuren von «Verbrechen verbindet» umfangreich. Überraschend überzeugende schauspielerische Darstellungen und Einblicke in die Motivationen der Figuren lassen sich gerade hier wiederfinden. Allerdings tragen auch diese Szenen kaum dazu bei, den bereits sehr wendungsarmen Hauptplot des Thrillers anregender zu gestalten.

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Mit kaum nennenswerten spannenden Untersuchungen oder Wendungen schneidet «Verbrechen verbindet» schlussendlich leider als äusserst vorhersehbarer und ereignisloser Gerichts-Thriller ab.

Während die schauspielerischen Darstellungen der gesamten Besetzung ohne Zweifel zu loben sind, lässt sich der Gedanke nicht verdrängen, dass diese in einem komplexeren und anspruchsvoller gestalteten Thriller wesentlich bessere Verwendung gefunden hätte.

1.5 von 5 ★

«Verbrechen verbindet» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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Kommentare 1

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barbara.richiger

vor 4 Jahren

Thriller ist eindeutig der falsche Begriff für diesen Film, den es sich anzuschauen aber durchaus lohnt. Wie bereits von Witt beschrieben, sind die Schauspieler ausgezeichnet und das tatsächliche Drama worum es geht «Gewalt gegen Frauen» durch Männer und Frauen soll und muss cineastisch dargestellt werden. Ebenso das Thema Infantizid. Dass der Film all dies unaufgeregt anhand des argentinischen Gerichtssystems spiegelt, finde ich ein grosses Plus. Die persönliche Entwicklung der Hauptperson - die Mutter und Oma , Tante - ist nachvollziehbar, denn es zeigt auch, wie viele Frauen der 3. Generation selbst noch in patriachalen Mustern stecken. Umso erfrischender und wohltuend ist es zu sehen, wie in diesem Film der Ehemann Position bezieht. Insgesamt 1 Stunde 39 Minuten gedanklich anregende und emotional berührende Momente.Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor 4 Jahren


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