Kritik11. Oktober 2018 Irina Blum
Netflix-Serie «Spuk in Hill House»: Schauerunterhaltung mit Potential
Mit ihrem Roman «Spuk in Hill House» schuf US-Autorin Shirley Jackson einen der grossen Horrorklassiker des 20. Jahrhunderts. Nach zwei Leinwandadaptionen – Robert Wises «Bis das Blut gefriert» und Jan de Bonts «Das Geisterschloss» – legt Gruselexperte Mike Flanagan im Auftrag von Netflix nun eine Serie vor, die lose auf dem wirkmächtigen Schauerstoff basiert.
Serienkritik von Christopher Diekhaus
Häuser seien wie Lebewesen, heisst es an einer Stelle. Eine These, die das titelgebende Gemäuer auf unheimliche Weise zu bestätigen scheint. Als Hugh (Henry Thomas) und Olivia Crain (Carla Gugino) mit ihren Kindern Steven (Paxton Singleton), Shirley (Lulu Wilson), Theodora (Mckenna Grace), Nell (Violet McGraw) und Luke (Julian Hilliard) in das altehrwürdige Hill House ziehen, machen sie sich voller Tatendrang an die Restaurationsarbeiten, um die grosse Villa so schnell wie möglich gewinnbringend verkaufen zu können. Furchteinflössende Geschehnisse belasten das Familienleben allerdings sehr bald. Und irgendwann kommt es zu einem schrecklichen Ereignis, das die Crains nachhaltig traumatisiert.
Viele Jahre später haben sich die fünf Geschwister teilweise eigene Existenzen aufgebaut, sind aber noch immer gezeichnet von den grausamen Erfahrungen. Eines Tages setzt die psychisch labile Nell (im Erwachsenenalter: Victoria Pedretti) einen Hilferuf ab, dessen Dringlichkeit Steven (Michiel Huisman), Shirley (Elizabeth Reaser), Theodora (Kate Siegel), Luke (Oliver Jackson-Cohen) und Vater Hugh (Timothy Hutton) leider zu spät erkennen.
Flanagan, der bei allen 10 Episoden Regie führte, entblättert schon in den ersten Folgen – begutachtet wurden für diese Kritik deren vier – ein komplexes Erzählgeflecht, das immer wieder zwischen der Gegenwart, Rückblenden in die Zeit im Herrenhaus und späteren Erinnerungen hin- und herspringt. Die Übergänge geraten oftmals fliessend, da bestimmte Handlungen und Begebenheiten – etwa aufgehende Türen – von einer Ebene auf die nächste übergreifen.
Wer schleichende Schauerunterhaltung liebt, sollte unbedingt einen Blick riskieren.
Mit Ruhe und Geduld nähert sich die in ausgeblichene Farben getauchte Serie den Figuren und gibt schrittweise immer mehr Informationen über ihr mitunter arg angekratztes Innenleben preis. Wie so oft in seinen bisherigen Horrorwerken interessiert sich Flanagan stark für die Beziehungsdynamik seiner Protagonisten und die Wunden, die eine familiäre Tragödie und übernatürliche Vorkommnisse hinterlassen haben.
«Spuk in Hill House» beleuchtet unterschiedliche Ausprägungen von Trauer und den Umgang mit dem Unerklärlichen, der einigen Crain-Mitgliedern besser gelingt als anderen. Besonders unter die Haut geht Folge vier, die den Kampf des suchtkranken Luke beschreibt und einen zutiefst verunsicherten Menschen porträtiert.
Verglichen mit der recht sorgfältigen Charakterentwicklung fallen die zunächst eher spärlich platzierten Schockeffekte spürbar ab. Auch wenn die geisterhaften Bewegungen der Kamera, Schattenspiele und plötzlich anschwellende Geräusche den Puls gelegentlich nach oben treiben, hätte man sich in einigen Szenen mehr Einfallsreichtum gewünscht. Die meisten Buh-Momente kann der genreerprobte Zuschauer antizipieren. Und bisweilen gestalten sie sich etwas plump, was ihre Wirkung erheblich schmälert. Wer schleichende Schauerunterhaltung liebt, sollte dennoch unbedingt einen Blick riskieren – allein wegen der reizvollen Verzahnung von Jetztzeit und Vergangenheit.
3.5 von 5 ★
«Spuk in Hill House» ist ab dem 12. Oktober auf Netflix verfügbar.
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