Promises USA 2001 – 102min.

Filmkritik

Kinder, Nachbarn, Feinde

Filmkritik: Daliah Kohn

Für seinen Dokumentarfilm "Promises" begleitete der amerikanisch-israelische Regisseur B.Z. Goldberg über mehrere Jahre das Leben von sieben Kindern, Palästinensern und Israeli, die alle in und um Jerusalem zu Hause sind. Das facettenreiche Porträt vermittelt eine Ahnung davon, wie komplex sich der Nahostkonflikt auch jenseits der News verhält – und schafft es dennoch so etwas wie Lachen zum Trotz zu erzeugen.

Eine normale Kindheit in Jerusalem habe er verbracht, beginnt B.Z. Goldberg seinen Kommentar über einer Luftaufnahme der Stadt, die den drei monotheistischen Weltreligionen gleichermassen heilig ist. So normal wie eine Kindheit in dieser Region eben sein kann.

Von 1997 bis Mitte 2000 hat Goldberg sieben Kinder im Alter von 9 bis 13 Jahren porträtiert, die alle in einem Umkreis von 20 Minuten in und um Jerusalem wohnen, aber dennoch Welten auseinander leben. Yarko und Daniel, zwei säkulare israelische Zwillinge, leben im jüdischen Westen der Stadt. Sie machen sich Gedanken, welche Buslinie sie zurzeit am sichersten ins Zentrum bringt; die Angst jeden Moment in die Luft zu fliegen, fährt mit. Schlomo, Sohn eines ultraorthodoxen Rabbiners, lebt im jüdischen Teil der Altstadt und widmet sich 12 Stunden täglich dem religiösen Studium. Nur einen Katzensprung davon entfernt, im muslimischen Teil der Altstadt, ist Mahmoud, ein Anhänger der Hamas, zu Hause. In einer Siedlung auf israelisch besetztem Gebiet ausserhalb der Stadt, wohnt das rechtsnationale Siedlerkind Moische. Faraj und das Mädchen Sanabel wachsen in einem Flüchtlinglager auf, das nach 1967 unter israelische Besatzung kam.

Goldberg lässt die Kinder ihre jeweiligen Lebenswelten zeigen; er lässt ihnen das Wort, wenn sie aus ihrem Alltag und ihren Erfahrungen mit dem Konflikt berichten. Ohne zu kommentieren, kontrastiert er die Aussagen miteinander und zeigt dadurch Grenzen auf, die zwischen den Kindern verlaufen: Reelle, aber auch ideologische Grenzen, die zwischen den Polen Israeli und Palästinenser, Juden und Arabern oder weltlicher und religiös-fundamentalistischer Weltanschauung verlaufen. So finden die Zwillinge, sie hätten mehr Verständnis für die Palästinenser als für ihre ultraorthodoxen Mitbürger. Ebenso wie das Trennende, werden auch Gemeinsamkeiten gezeigt, welche die Kinder unabhängig ihrer Herkunft haben. So vergiesst der vielversprechende Sprinter Faraj über seinen zweiten Platz ebenso Tränen, wie die Zwillinge über ihre Niederlage beim Volleyball. Schliesslich erwacht das Interesse und die Neugier einiger der Kinder füreinander und es kommt mit Einwilligung der Eltern zu einem Treffen, bei dem Yarko und Daniel Faraj und Sanabel im Flüchtlingslager besuchen. Das Fiebern auf diese Begegnung bietet regelrechten Suspense, ist das Unterfangen doch nicht ganz ungefährlich. Es kommt zu einigen sehr rührenden Momenten, die Goldberg ohne Betroffenheitskitsch einzufangen weiss.

Der Verdienst von "Promises" ist es, ein vielschichtiges, persönliches Bild von der Wirkungen eines komplexen Konflikts zu präsentieren, der uns zur Genüge aus den Newsbildern bekannt ist. Ein Friedensprozess im Kleinen wird uns präsentiert, dessen Hilflosigkeit angesichts der aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten umso deutlicher wird: Goldberg hat die Dreharbeiten noch vor dem Ausbrechen der zweiten Intifada, in einer Zeit relativer Ruhe, fertiggestellt. Der Film könnte heute, Ende 2001, sicher nicht mehr in dieser Form gemacht werden.

27.10.2020

4

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