Peter Sellers Grossbritannien, USA 2004 – 122min.

Filmkritik

Deconstructing Peter

Stefan Gubser
Filmkritik: Stefan Gubser

Wenn klatschen, dann bitte dazu stehen! Stephen Hopkins zeigt die Karriere von Peter Sellers unter besonderer Berücksichtigung der dunklen Seiten des englischen Schauspieler-Genies.

Gar nicht leicht zu sagen, was man eigentlich wissen will. Ob Johannes Paul II. tatsächlich nie Hand an sich legte, nachdem er sein Leben der Nachfolge Jesu Christi verschrieben hatte? Okay: Will der Ungläubige erfahren, wird er aber nie. Über Thomas Mann und die Onanie hingegen weiss bestens Bescheid, wer schon in seinen Tagebüchern blätterte. Der Schriftsteller verbuchte akribisch jeden Höhepunkt, den er allein sich selber verdankte. Auch das sind natürlich Ergüsse eines grossen Dichters. Aber tragen sie zum besseren Verständnis des "Doktor Faustus" bei? Allgemein gefragt: Wie gut will man einen Künstler kennen, dessen Werk man liebt?

Diese Frage wirft auch der neue Film von Stephen Hopkins auf. Der zuletzt hochgelobte Regisseur der ersten Staffel "24" erzählt das Leben des grossen Peter Sellers, jenes Verwandlungs-Genies von Schauspieler, das zum Beispiel Inspektor Clouseau war oder dreifach in "Dr. Strangelove" - und privat ein narzisstisches, abergläubisches, misogynes, lebensuntüchtiges, drogensüchtiges, paranoides, man muss es leider so heftig sagen, Arschloch mit leichtem Hang zum Borderline-Syndrom.

Nun sind Biopics, die sich ungebrochen als Heiligsprecher aufführen, nicht weniger ärgerlich als solche, die - wie "The Life and Death of Peter Sellers" es tut - mit Nachdruck auf die so genannt "dunklen Seiten" einer Berühmtheit abzielen. Zu entdecken, dass es ausser Stanley Kubrick kaum einen Menschen in der oft so bizarren Welt des Filmbusiness gab, der den Monomanen Sellers nicht hasste, mag ja durchaus von einer Art filmhistorischen Interesses sein. Und ein Regisseur kann naturgemäss nichts dafür, dass sein Held die zweite Ehefrau Britt Ekland (Charlize Theron) verlässt, während sie niederkommt, und am liebsten seine Übermutter (Miriam Margolye) geheiratet hätte, wenn es denn möglich gewesen wäre.

Aber klar doch, auch wir klatschen gerne! Der Grund unserer Empörung liegt in der Behauptung des Filmes, er bewahre Sellers irgendeinen Rest an Geheimnis, obwohl er ihn zwei Stunden lang nichts als blosstellt. In der letzten Szene zieht sich Peter Sellers - im Film als Regisseur und Schauspieler seines Lebens inszeniert, der nicht nur sich selber spielt, sondern sich immer wieder auch die Rollen der Menschen aneignet, die ihn umgeben - in sein Refugium auf dem Set zurück und verweigert der Kamera entschieden den Zutritt. In mein Reich kommet ihr nicht hinein, scheint er zu sagen, und weiss nicht, dass der Zuschauer längst so tief drin ist, wie Prinz Charles sich als Tampon einst in seine Camilla hineinträumte.

P.S. Geoffrey Rush ist richtig gut, auch wenn er vielleicht nicht exakt so aussieht wie Peter Sellers. Aber spielt das eine Rolle?

02.05.2005

3

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