Tideland Kanada, Grossbritannien 2005 – 122min.

Filmkritik

Morbides Märchen um ein Mädchen

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Ein junges Mädchen, auf sich selbst gestellt, taucht ab - in ihre eigene Fantasie und landet in der Realität. Die bizarre Adoleszenz-Reise ist von Terry Gilliam als Geisterbahnfahrt zwischen Märchen ("Alice im Wunderland"), Spuk, Fantasy und Psychotrip ("Psycho") angelegt.

Vieles deutet auf Parallelen zum märchenhaften Trip der "Alice im Wunderland": die hintergründige Natur, die Lebewesen, das Alleinsein der Hauptfigur, erwachende Gefühle und die Hoffnung auf eine bessere Welt. Doch diese Eindrücke täuschen. Regisseur Terry Gilliam, der sich des Romans "Tideland" von Mitch Cullin angenommen hat, macht diese Adoleszenz-Reise eines jungen Mädchen zum Spuk-Trip mit sinnlichen Andeutungen.

Jeliza-Rose (Jodelle Ferland), um die zehn Jahre jung, erlebt, wie die abgedriftete Mutter ihr Leben aushaucht, wie der fixende Vater Noah (Jeff Bridges) sich zu Tode spritzt. Doch sie realisiert die Gegebenheiten nicht richtig, spricht weiter mit ihrem mumifizierten Dad, mit dem sie aufs Land gezogen ist. Sie nistet sich in einem verrotteten Farmhaus ihrer Grossmutter ein, in dem die Geister der Vergangenheit "spuken". Die Göre stösst auf die hexenhafte Furie Dell (Janet McTeer) samt ihrem geistig behinderten Bruder Dickens (Brendan Fletcher). Die spleenige Dell war einst die Geliebte ihres Vaters und wurde von ihm verlassen. Jeliza-Rose freundet sich mit dem seltsamen Burschen an: Sie spielen, stöbern herum und wecken Gefühle. Am Ende geht mehr als eine Bombe hoch.

Eine bedrohliche Welt, ein bizarres Szenarium. Terry Gilliam, der weder mit seinem Märchenabenteuer über die "Brothers Grimm" (2005) noch mit seinem La Mancha-Projekt (2003) Erfolge landen konnte, pendelt nun zwischen Hippie-Drama, Pubertätsromanze und Hokuspokus. Das morbide Märchen um unerfüllte Liebe, Fantasiewelten und aufkeimende Sexualität schwimmt zwischen wogender Prärie, verfallenen Wesen (und Träumen), brüchigen Böden, Irrungen und Wirrungen. Die schmuddeligen Flower-Power-Erinnerungen, die modrige Szenerie und die Stimmung eines latenten Frühlings-Erwachens sollten ein seltsam verrenktes Adoleszenzdrama heraufbeschwören. Allein Gilliams verspielt-verdrehter Bildertrip, zwischen "Alice" und "Psycho" angesiedelt, kann mit Fantasiephrasen und Verschrobenheit nicht gerettet werden.

Wer will dieses Bilderwerk sehen? Kinder dürften kaum das Zielpublikum sein, und viele Erwachsene werden sich fragen, was will uns diese traumatische Reise in die Erwachsenenrealität sagen? Fantasiefans werden abwinken und Romantiker sowieso. Das makabre Märchen mit Knalleffekt ist morsch und morastig. Die Bilder vergehen wie ein Samenflug. Wenig bleibt haften.

10.11.2020

2

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 17 Jahren

schwieriger film... dass wenig haften bleibt, stimmt für mich jedoch schon mal nicht. die bilder sind genial, die figuren wachsen einem in ihrer skurrilität und trotz ihrer verdorbenheit ans herz, und die schauspielerischen leistungen aller darsteller (vor allem aber des mädchens) sind überdurchschnittlich.
die geschichte jedoch lässt einen am ende etwas gar ratlos, leicht angeekelt und verwirrt zurück.Mehr anzeigen


Gelöschter Nutzer

vor 17 Jahren

nee, kenne den film noch nicht - aber alle andern von terry gilliam.

ab donnerstag läuft tideland auch hier in baden, dann werde ich 100% zuvorderst in der schlange vor der kasse stehen!


rufusell

vor 17 Jahren

an euch beide. ihr kennt den film anscheinend, wie findet ihr ihm so? ich hörte bisher echt nur schlechtes, aber irgendwie von der machart her, reizt er mich zum gucken.


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