Mr. Rakowski Niederlande 2008 – 75min.

Filmkritik

Wenn der Vater mit dem Sohne...

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Der 92-jährige Pole Sam Rakowski hat Auschwitz überlebt und ist in die USA ausgewandert. Im Mittelpunkt des Dokumentarfilms vom Holländer Jan Diederen steht jedoch nicht der Holocaust oder Rakowskis jüdisches Schicksal, sondern sein gespanntes Verhältnis zum Sohn Richie.

Ein alter Mann, der dem Tod von der Schippe gesprungen ist, damals als die Nazis Polen besetzten, der das KZ Auschwitz überlebte und danach offensichtlich ein beschauliches Leben in Amerika führte. Sam Rakowski lebt in einem Haus auf dem Grundstück seines Sohnes Richie, scheinbar recht komfortabel, auch wenn das Gehen mühsam geworden ist. Doch er nörgelt an der Haushilfe herum und behandelt Richie wie einen Bediensteten. Sie sprechen miteinander, ohne sich nahe zu sein oder näher zu kommen. Erst im Laufe der Interviews, die der 49-jährige Regisseur Jan Diederen mit beiden parallel führt, kommt Licht ins Familiendunkel. Sam liebt noch immer seinen ersten Sohn Aaron, der im Alter von sieben Jahren ertrank, und seine Frau, an deren Tod er sich selbst die Schuld gibt. Die Wunden, die Patron Sam seinem Filius Richie in der Kindheit zugefügt hatte, sind noch immer nicht vernarbt.

Der 56-jährige Richie scheint nachsichtig mit seinem alternden Vater, doch noch immer sitzt der Schmerz tief. Der Holländer Diederen macht in seiner Beobachtung einen Zeitsprung über neun Monate. Sam Rakowski ist älter und sanfter geworden. Die Besuche auf dem Friedhof - mit Richie - stimmen ihn versöhnlich. Aber es sind vor allem die Fragen des Filmers, die den verbitterten alten Mann bewegen, endlich Farbe zu bekennen. Es kommt heraus, dass er Richie liebt, an dem er Unrecht beging. Er hat es aber nie gezeigt oder bekannt. Für Richie ist sein Vater ein Rätsel. Das bleibt der alte Mann auch für den Zuschauer über weite Strecken des Films. Man kann nicht recht nachvollziehen, weshalb Mr. Rakowski so starrsinnig und verhärmt ist.

Mit Geduld und in langen Einstellungen filtert Filmer Diederen die Schuldgefühle und Konflikte aus den Interviews, belässt es aber dabei. Er hat sicher Anteil als intimer Beobachter an die Annäherung und Versöhnung von Vater und Sohn. Doch vieles bleibt offen, vor allem was Sam Rakowskis Vergangenheit in Polen angeht, seine Auschwitz-Erfahrungen und sein neues Leben in den USA. Heimat, europäische Wurzeln, Judentum - diese Bereiche werden nicht thematisiert. So wirkt der gekonnt montierte Dokumentarfilm zwar menschlich sehr nah, sehr intim, aber er vermag freilich nicht in die Tiefe zu gehen und gesellschaftliche Zusammenhänge zu zeigen. Die Geschichte hinter der Geschichte von Vater und Sohn bleibt Fragment.

06.07.2009

3

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Kommentare

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mcmarty

vor 16 Jahren

Sehr bewegend


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