Maps To The Stars Kanada, Frankreich, Deutschland, USA 2014 – 111min.

Filmkritik

Maps To The Stars

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Als ultrafiese Abrechnung mit Hollywood wollten vor allem US-Kritiker den neuen Film von David Cronenberg verstanden wissen, doch damit kann der ebenso wenig anfangen wie mit dem Wort Satire. Lieber beruft sich der Kanadier, der erstmals (zumindest einige Tage) in den USA drehte, auf die L.A.-Erfahrung seines Drehbuchautors Bruce Wagner, der auch die Romanvorlage zu Maps to the Stars schrieb. Und doch kann man eine gewisse an Klischees orientierte Überhöhung diesem geradezu giftigen Blick in die Abgründe der Traumfabrik beim besten Willen nicht absprechen.

Eine junge Frau (Mia Wasikowska) kehrt hier nach einem Aufenthalt in der Psycho-Klinik nach Hollywood zurück, bandelt abgeklärt mit ihrem Limousinen-Fahrer (Robert Pattinson) an und wird schließlich zur persönlichen Assistentin einer nicht mehr ganz taufrischen Schauspielerin (Julianne Moore), die sich mit aller Verzweiflung an das letzte bisschen Ruhm klammert. Die wird von ihrer deutlich erfolgreicheren, jung verstorbenen Mutter heimgesucht und von ihrem Selbsthilfe-Guru-Therapeuten (John Cusack) gequält, der wiederum Vaters eines Millionen schweren 13-jährigen Kinderdarstellers (Evan Bird) ist, von Mama (Olivia Williams) gemanagt und bereits Rehab-erfahren.

Kalte, tote Menschen in einer kalten, toten Welt. Was kürzlich Paul Schrader über seinen Film The Canyons sagte, trifft auch auf Cronenbergs unauflösbar miteinander verbundenes Personal zu. Doch wo Schrader und sein Autor Bret Easton Ellis mit ihrer Traumfabrik-Sezierung im seichten Gewässer der Ödnis strandeten und bloß Lindsay Lohan auffahren konnten, hat Maps to the Stars eine furios aufspielende Julianne Moore zu bieten. Und lotet vor allem den Irrsinn und Narzissmus unter der polierten Oberfläche des Showgeschäfts mit makaber-giftigem Humor in allen Abgründen aus.

Wie in all seinen Filmen richtet Cronenberg auch in diesem Fall einen ausgesprochen kühlen, ja distanzierten Blick auf das Geschehen. Für Wärme oder Sympathieträger ist in dieser Welt kein Platz, und was zunächst tatsächlich wie Satire aussieht, entpuppt sich schnell als bitterer Zynismus, zur Farce zugespitzt. Überhaupt ist es spannend, wie Maps to the Stars sich nicht nur zwischen anderen Inside-Hollywood-Geschichten von Sunset Boulevard über The Player bis Entourage positioniert und gleichzeitig als Geflecht aus ödipal-inzestuösen Familienbeziehungen, mörderischen Geheimnissen und den allgegenwärtigen Geistern der Vergangenheit gar der klassisch griechischen Tragödie Referenz erweist, sondern auch fest im Cronenbergschen Oeuvre verankert ist.

Die Familie als Hort der Gewalt, wie wir sie etwa in A History of Violence oder Eastern Promises sahen, trifft hier auf die sexuell aufgeladene Psychotherapie von A Dangerous Method und Robert Pattinson, der nach Cosmopolis abermals in einer Limousine Platz nimmt. Ganz zu schweigen davon, dass Cronenberg über lange Jahre der Meister des Body Horrors – mittels entstellenden Brandnarben, halb erigierten Schwänzen und maskenhaften Gesichtern den menschlichen Körper in seiner ganzen Anfälligkeit so sehr ins Zentrum rückt wie lange nicht.

22.04.2024

4

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Kommentare

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Odoaker

vor 9 Jahren

Lässig, dass der 8martin uns den Schluss verrät. Das sind mir die liebsten Kritiken. Dann kann man sich den Film gleich sparen. Vielen Dank


8martin

vor 10 Jahren

Hollywood brennt! So zumindest schreit uns ein Poster des Films optisch an. Und eine Karte zu den Sternen ist der Film auch nicht. Es ist David Cronenbergs bitterböse Abrechnung mit dem Zirkus Hollywood. Die Macken der Stars sind nur die Oberfläche der Szenerie. Darunter tun sich Abgründe von Menschenverachtung auf. Man bedient sich einer Fäkaliensprache (jedes zweite Wort fängt mit ‘F‘ an) der übelsten Art. Die Männer denken mit dem Schwanz, die Frauen mit ihrem Genital und beide Geschlechter haben nur ihre Karriere im Sinn. Ein echter Sündenpfuhl!
Heuchelei und Neid sind die häufigsten zwischenmenschlichen Regungen. Es wird ausgebeutet und rumkommandiert, dass man es kaum glauben kann. Die Unterhaltung besteht meist aus verletzenden Sprüchen. Selbst Inzest ist vorgekommen. Schizophrene Wahnvorstellungen führen unter anderem fast zu einem Mord. Es ist ein Sammelsurium von lauter total kaputten Typen. So bleibt am Ende nur ein zweifacher Suizid als Ausweg. Hier setzt Cronenberg ein Sahnehäubchen: ‘La Liberté‘ von Paul Eluard. Zeilen daraus geistern durch den ganzen Film. Benjie (Evan Bird) und seine Schwester Agatha (Mia Wasikowska) wählen die letzte Freiheit.
Cronenbergs Film ist eine Psychofolter der besonderen Art, denn eigentlich gibt es ja so etwas wirklich. Nur diese Dichte und Konsequenz erschlägt einen. Aus der unglaublich guten Darstellerriege ragt turmhoch Julianne Moor heraus. Sie ist wie fast alle Opfer und Täter zugleich.Mehr anzeigen


alex icon

vor 10 Jahren

Sehr irritierend - typisch Cronenberg. Entweder man mag's oder nicht;)


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