Im Herzen der See USA 2015 – 122min.

Filmkritik

Schiffbruch mit Wal

Patrick Heidmann
Filmkritik: Patrick Heidmann

Schiffbrüche gab es in der Kino-Geschichte schon zahllose zu verzeichnen, nicht zuletzt in der jüngeren, wo auf den auf einer Insel gestrandeten Tom Hanks und seinen Volleyball in Cast Away zuletzt etwa der indische Junge samt Tiger in Life of Pi, ein ganz auf sich allein gestellter Robert Redford in All Is Lost oder die Soldaten in Angelina Jolies Unbroken folgten. Boote in Seenot und verzweifelte Männer, die auf offenem Meer von Tag zu Tag dürrer und bärtiger werden, sind also für sich genommen ein alter Hut. Und doch war sich Ron Howard sicher, der Sache mit In the Heart of the Sea noch eine neue Seite abgewinnen zu können.

So sehr rückt der Oscar-Gewinner (A Beautiful Mind) das nautische Unglück ins Zentrum seines Geschehens, dass schon die Rahmenhandlung darauf hinleitet. Der Schriftsteller Herman Melville (Ben Whishaw) sucht auf der US-Insel Nantucket den versoffenen Seefahrer Thomas (Brendan Gleeson) auf, um sich die Geschichte jenes legendären Schiffbruchs erzählen zu lassen, den dieser vor etlichen Jahrzehnten als junger Mann nur knapp überlebte. Unter der Führung von Kapitän Pollard (Benjamin Walker) und dessen deutlich erfahrenerem Steuermann Chase (Chris Hemsworth) war die Essex 1820 zum Walfang aufgebrochen. Doch die Expedition stand unter keinem guten Stern: schlechte Stimmung an Bord, Versorgungsknappheit und selbst gnadenlose Stürme erwiesen sich als harmlos, verglichen mit dem, was die Crew erwartete als sie es mit einem riesigen weißen Wal aufnahm.

Man muss nicht einmal Melvilles zum Klassiker gewordenen Roman "Moby Dick" kennen, der auf den in In the Heart of the Sea gezeigten Ereignissen basiert (als Vorlage diente dem Film das gleichnamige Sachbuch von Nathaniel Philbrick), um als Zuschauer zu ahnen, wie diese Geschichte verlaufen wird. Allzu viele Varianten bietet die Kombination aus Schiffbruch und riesigem Wal nun einmal nicht an, und dass Hauptdarsteller Hemsworth und seine Mannen irgendwann von Szene zu Szene knöcheriger und verwilderter werden, ist ebenso unausweichlich wie meuternde Matrosen oder gegen Ende hin der Kannibalismus als letzte Überlebenschance.

Trotzdem ist es nicht so, dass Howard permanent in Klischeefallen tappen würde: der obligatorische Hai-Angriff bleibt aus, und auch in den Konflikten zwischen den Figuren setzt er nicht ausschließlich auf das Naheliegende. Aber wo wir gerade bei den Figuren sind: mitunter wirkt der Film als sei die eine oder andere Szene im Schneideraum unter den Tisch gefallen, so wenig wird deren Potential trotz prominenter Einführung und Besetzung (siehe: Cillian Murphy) bisweilen genutzt.

Ob das daran liegt, dass In the Heart of the Sea, der ursprünglich bereits vor über einem halben Jahr in die Kinos kommen sollte, noch nachträglich den Fokus weg vom menschlichen Drama um Moralfragen hin zur Hochsee-Action verlagerte? Die Schiffbruch- und vor allem Wal-Sequenzen sind jedenfalls tatsächlich das große Pfund, mit dem der Film wuchern kann. Das 3D wäre nicht nötig gewesen, und wann immer er sich an Land begibt, wirken die Bilder künstlich wie eine Computerspielwelt. Doch sobald die Männer auf offenem Meer zum Spielball der verschiedenen Naturgewalten werden, wird tatsächlich Spektakuläres geboten.

18.02.2024

3

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Kommentare

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8martin

vor einem Jahr

Der Film beleuchtet die Hintergründe, wie der Roman Moby Dick von Herman Melville zustande kam. Schriftsteller Melville (Ben Wishaw) sucht Thomas Nickerson (Brendon Gleeson) auf, einen Überlebenden der Schiffskatastrophe des Walfängers Essex. Dieses Schiff und seine Besatzung haben Moby Dick gejagt und sind die Basis für Melvilles weltberühmten Roman geworden.
Regisseur Ron Howard schildert in sehr unterhaltsamer Form das Abenteuer und kleidet es in dramatische Bilder von einer stürmischen See, mit allen Tücken, die ein Zweimaster mit sich bringt, von männlicher Rivalität und Kannibalismus.
Durch diesen Trick der einen Doppelfilter als Wahrheitsspender benutzt, kommt der Plot den Ereignissen von 1820 sehr nahe. Ob sich nun das Drehbuch für Philbricks Vorlage entscheidet, der sehr gut recherchiert hatte, für die Wahrheit von Melville oder vielleicht gar für die des Thomas Nickerson, ist unerheblich. Das hier vorliegende Endprodukt ist klassisch sehr gut gemacht, äußerst unterhaltsam und ein eigenständiger Film, der das bekannte Bild congenial ergänzt. Und am Ende sogar noch mit Zugeständnissen aufwartet wie ‘Es gibt immer mehrere Wahrheiten und von diesen Wahrheiten wurde das Werk von Melville inspiriert.‘ Der ging mit seinem Roman allerdings noch über die Grenzen einer Geschichte aus Seemannsgarn hinaus und steuerte auf eine Metaebene. Das Happy End für wenige ist durchaus vorhersehbar. Die Strapazen waren erschütternd und die See gnadenlos, die Details genau und die Darsteller eine Spitzencrew.Mehr anzeigen


Patrick

vor 6 Jahren

Pompös und Bildgewaldig umgesetzt mit einem Solide spielenden Darsteller-Cast.Ein paar Szenen wurden auf Lanzarote gedreht.


Reptile

vor 8 Jahren

Mit "In the Heart of the Sea" ist eine sehr gut gelungene Interpretation (oder Vorgeschichte?) rund um den weltberühmten Roman "Moby Dick" entstanden, welche vor allem (aber nicht nur) von einem (wieder einmal mehr) brilliant aufspielenden Chris Hemsworth, getragen wird. Anschauen sei hier nicht nur grossen Fans der glorreichen alten Tage der Seefahrt ans Herz gelegt. Der Film ist super und ein Kinobesuch lohnt sich hier auf jeden Fall. Möge der Wal mit euch sein.Mehr anzeigen


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