Viceroy's House Indien, Schweden, Grossbritannien 2016 – 106min.

Filmkritik

Im Zentrum der Macht

Cornelis Hähnel
Filmkritik: Cornelis Hähnel

Danny Boyles T2 Trainspotting ist eines der Gesprächsthemen auf der diesjährigen Berlinale. Aber er ist nicht der einzige britische Vertreter auf den Filmfestspielen, auch seine Kollegin Gurinder Chadha präsentiert sich dort mit ihrem neuen Film Viceroy's House. Doch statt Drogen, Sex und Nachtleben in der britischen Gegenwart gibt es dort Liebe, Religion und Tumulte zu Zeiten der englischen Kolonialgeschichte.

1947 geht die britische Kolonialherrschaft in Indien zu Ende. Lord Mountbatten, Urenkel von Queen Victoria, zieht mit seiner Frau und seiner Tochter ins Viceroy's House in Delhi ein, wo er als letzter Vizekönig den Übergang des Landes in die Unabhängigkeit überwachen soll. Jedoch so einfach gestaltet sich der Weg in die Unabhängigkeit nicht, immer wieder kommt es im Land zu heftigen Unruhen zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen. Eine Lösung des Konflikts wäre die Gründung des Staates Pakistan, doch ob dies langfristig Frieden bringen wird, scheint ungewiss...

Regisseurin Gurinder Chadha setzt sich in ihren Filmen immer wieder mit der britisch-indischen Beziehung auseinander: In Bend it like Beckham ging es um ein indisches Mädchen, das in Beckhams Fußstapfen treten will, in Bride & Prejudice mischte sie Jane Austen mit einer Prise Bollywood und in ihrem neuesten Film Viceroy's House blickt sie auf das Ende der britischen Kolonialherrschaft in Indien.

Chadha geht dafür ins Zentrum der Macht – in den Palast des Vizekönigs. Ein dramaturgisch cleverer Schachzug, denn neben den britischen Machtinhabern ist, in Form von über 500 Angestellten, auch das indische Volk anwesend. Hier leben Hindus, Muslime und Sikhs friedlich nebeneinander. Im Fokus der Angestellten stehen der junge Hindu Jeet, der als persönlicher Diener von Lord Mountbatten arbeitet und um seine Liebe zur muslimischen Angestellten Aalia kämpft. Aber auch in den Kreisen des Personals wächst der Unmut zwischen den Religionen und der Ruf nach Unabhängigkeit wird immer größer.

Doch wie frei kann eine Gesellschaft sein, die geteilt wird? Viceroy’s House ist wie eine ausführliche Geschichtsstunde, der Film lässt alle Seiten zu Wort kommen, sammelt Fakten, Argumente und Bedenken, um dann Lord Mountbatten (und somit auch den Zuschauer) vor das moralische Dilemma einer Entscheidung zu stellen. Als sein gutes Gewissen fungiert hier stets seine Frau Edwina, die von Akte-X-Ikone Gillian Anderson ganz wunderbar mit liberaler Noblesse gespielt wird.

Viceroy's House beginnt als ebenso opulent ausgestattetes wie leicht angestaubtes Kolonialismus-Epos, entwickelt sich dann aber immer stärker zu einem humanistischen Sinnieren über Frieden und Freiheit. Vor allem durch den Upstairs-Downstairs-Effekt, also den Blick sowohl auf die Herrschenden als auch die Dienerschaft, bekommt der Film eine gelungene Komplexität. Man merkt, dass es Regisseurin Chadha ein persönliches Anliegen war, dieses Kapitel zu erzählen, auch weil ihre Großmutter diese tragischen Ereignisse durchleiden musste. Aber leider sind dann doch einige Erzählstränge zu schablonenhaft geraten und an vielen Stellen kann sich der Kitsch nicht verstecken. Und so ist Viceroy's House zwar ein inhaltlich lobenswerter Blick auf ein selten gezeigtes Thema, aber künstlerisch betrachtet verliert er sich leider im gefälligen Mittelfeld.

10.04.2024

3

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Kommentare

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gimir

vor 7 Jahren

Kitschig und trotzdem berührend und ein historisch unbekanntes Kapitel.


zuckerwättli

vor 7 Jahren

Eigentlich schön gemacht, aber extremst kitischig und obwohl die Geschichte eingentlich auf Inder und deren Politik und historische Querelen zielt, werden mehr die blindlos "schicken und edlen" Engländer gezeigt...


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