Twarz - Mug Polen 2018 – 91min.

Filmkritik

Spieglein, Spieglein an der Wand…

Irina Blum
Filmkritik: Irina Blum

Mug - Twarz ist eine wilde, über weite Strecken gelungene Parabel auf Themen wie Selbstfindung, Toleranz und den Umgang mit Schicksalsschlägen.

Jacek (Mateusz Kosciukiewicz) ist im kleinen, konservativen Dorf in der polnischen Pampa, wo er mit seiner gesamten Familie inklusive Grosseltern lebt, ein ziemlicher Freak: Der Mittzwanziger steht auf Heavy Metal, trägt seine Haare lang und offen und funktioniert die Feldwege der Region öfters zur Rennstrecke um. Wichtig scheinen ihm bloss sein Hund und seine Freundin Dagmara (Malgorzata Gorol), der er eines Tages beim Herumalbern auf einer Brücke sogar einen Antrag macht. Doch ein schlimmer Arbeitsunfall macht seinen Plänen einen Strich durch die Rechnung: Während dem Bau an der weltgrössten Jesusstatue nahe der deutschen Grenze fällt er vom Gerüst und überlebt nur knapp und schwer verletzt, unter anderem am Gesicht. Unter dem Interesse der Öffentlichkeit wird an Jacek dann die weltweit erste Gesichtstransplantation vollzogen – doch auch die Operation kann den alten Jacek nicht zurückholen: Während sich Dagmara ihm immer mehr entzieht, muss der Aussenseiter seine Identität völlig neu zu definieren versuchen.

Denn der früher in der Dorfdisco mit seinen ausufernden Künsten alle von der Tanzfläche vertreibende junge Mann, der es gewohnt war, unabhängig und als einsamer Wolf umherzuziehen, ist von einem auf den anderen Tag auf die Hilfe und Unterstützung seiner Mitmenschen angewiesen: Auf diejenige seiner resoluten aber aufopfernden Schwester (äusserst feinfühlig: Agnieszka Podsiadlik), seiner skeptischen Eltern, sogar der mit spiessigen Mitbewohnern gespickten Gemeinde, die während der Messe Geld für die teuren Operationen sammelt. Plötzlich fällt er nicht mehr mit seiner bewusst gewählten Unangepasstheit auf – ganz unfreiwillig sticht er mit seinem entstellten Gesicht und seiner unverständlichen Aussprache heraus. Mateusz Kosciukiewicz spielt den wortwörtlich gefallenen Aussenseiter vor dem Unfall mit dem nötigen Schalk, um trotz seiner Marotten liebenswert zu sein – und nach dem Unfall mit der benötigten Würde, ist die Entstellung im Film doch bemerkenswert und an der Grenze zum Ertragbaren.

Mit unscharfen, ungewöhnlichen Bildern der kargen, manchmal trostlos, manchmal idyllisch wirkenden polnischen Landschaften hält Regisseurin Malgorzata Szumowska in Mug - Twarz der modernen Gesellschaft den Spiegel vor, die völlig fixiert auf Konsum, Religion und Erfolg vor allem dem Schein viel beimisst. Schade, dass diese Message einigen Figuren völlig abhandengekommen ist: Dagmara zum Beispiel, die sich nach dem Unfall komplett von Jacek distanziert. Oder seine Grosseltern, die Jacek als vom Teufel besessen abstempeln. Herrlich hingegen sind die humoristischen Einstreuungen, die von schwarzem Humor nur so triefen: Der Moment zum Schluss zum Beispiel, wenn die Verantwortlichen bemerken, dass die grösste Jesusstatue, die die Welt je erblickt hat, in die falsche Richtung zeigt – und man die Statue kurzum nochmals umbauen muss. Wie der ganze Film, strotzt auch diese Szene nur so vor Symbolik – zynischer geht es wohl kaum.

15.02.2024

3.5

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