Im Westen nichts Neues Deutschland, Grossbritannien, USA 2022 – 147min.

Filmkritik

Der Krieg als Spektakel

Filmkritik: Teresa Vena

Regisseur Edward Berger verfilmt den Roman von Erich Maria Remarque, der 1928 erschien und von den Gräueln des Ersten Weltkriegs erzählt. Aus der Perspektive eines jungen Soldaten, der mit einer von Patriotismus geschwellten Brust an die Westfront, an der die Deutschen gegen die Franzosen kämpften, zieht, bekommt man einen Einblick in die Verhältnisse im Schiessgraben und den kurzen Auszeiten im Lager oder Lazarett. Als Held fühlt sich Paul (Felix Kammerer) nach der ersten Minute vor Ort nicht mehr. Um ihn herum ist es ohrenbetäubend laut, es stinkt, es ist dreckig, der Hunger nagt an ihm – und links und rechts türmen sich die Leichen.

Rein produktionstechnisch hat Netflix wirklich viel Geld in die Hand genommen, um «Im Westen nichts Neues» so spektakulär wie möglich aussehen zu lassen. Das ist gelungen. Es wurden wortwörtlich schwere Geschütze aufgefahren. Die Frage ist vielmehr, welchem Zweck der Film dienen soll. Als Abschreckung? Ist es wirklich ein sogenannter Antikriegsfilm? In erster Linie ist die Ausführlichkeit mit der das Töten und Sterben gezeigt wird, kaum auszuhalten. Die Bilder werden einen nicht mehr loslassen. Sie sind anderer Natur als die Bilder von Gewalt in Thrillern und Horrorfilmen. Bei «Im Westen nicht Neues» geht es um die Nachstellung vom Niedergemetzeltwerden Hunderttausender. Es muss aber letztendlich jeder selbst entscheiden, ob er sich über zweieinhalb Stunden einem Dauerrausch an Schüssen, durch die Luft fliegenden Körperteilen und immer wieder einem neuen Meer an Leichen aussetzen möchte.

Filmkritik Teresa Vena 1 von 5 Sterne

Nach der Adaption eines Klassikers der Literatur des 20. Jahrhunderts bringt uns der deutsche Filmemacher Edward Berger ganz nah an die Schrecken des Ersten Weltkriegs heran.

Manchmal gehört es zum Kino, komplexe Emotionen im Herzen von Filmen zu wecken, von denen wir uns fast gewünscht hätten, sie nie gesehen zu haben. «Im Westen nichts Neues» ist sicherlich ein solches Werk. Der Soldat Paul Bäumer und seine Kameraden haben auf ihrer Reise durch das Land ein Bild der Verwüstung geboten, das so abscheulich ist, dass es einem die Haut abziehen kann. Doch wenn man die zweieinhalb Stunden erst einmal verdaut hat, ist die Zeitgemässheit der Botschaft nicht mehr zu überbieten.

Die Weitwinkelaufnahmen von James Friend und die schmerzhaft schönen Aufnahmen, die auch Roger Deakins eine Oscar-Nominierung für «1917» einbrachten, erinnern daran, wie komplex es ist, die Schändlichkeiten des Krieges auf der Leinwand darzustellen. In «1917» wurde die Technik, die im Übrigen hervorragend war, genutzt, um uns mitten in die herkulische Reise von Sam Mendess Grossvater an der Hindenburglinie zu versetzen. Und nun sind wir auf der anderen Seite der Geschichte, zumindest in unmittelbarer Nähe, unweit des Chemin des Dames.

1917 erleidet Deutschland enorme Verluste an Menschenleben, und bald will ein gewisser Matthias Erzberger (gespielt von Daniel Brühl, der auch als Produzent fungiert) dem Unaussprechlichen ein Ende setzen. Im Wald von Compiègne wird der Waffenstillstand auf den Weg gebracht, doch als die Kampfhandlungen eingestellt werden, dauert der Krieg noch bis zum 11. November 1918 um Punkt 11 Uhr an. In diese Lücke von wenigen Monaten schleichen sich das gleichnamige Buch des Journalisten und Schriftstellers Erich Maria Remarque und heute die knifflige Sichtung von «Im Westen nichts Neues». Nur ein unangebrachter Stolz trennt uns von einem endgültigen Waffenstillstand, hören wir aus Erzbergers Stimme. In der Zwischenzeit kämpft die eiserne Jugend Deutschlands mit Flammen, Panzern, Gas, Winter und Ratten.

Ein Film, der erneut die kostbare und brennbare Frage nach der Darstellung von Schrecken aufwerfen wird. Um sie zu meditieren, liefern uns der Filmemacher und seine Teams die entsetzliche Landschaft von apokalyptischen, mondähnlichen Kratern und den Körpern, die sich dort türmen und mit der Erde verschmelzen. Ein beängstigender, erstickender, sumpfiger Film, in dem sich der Schlamm der Schützengräben mit dem strömenden Regen, zerstückelten, fauligen Barthaaren und dem Blut, das zur Verteidigung einer Linie vergossen wurde, die drei Jahre lang drei Millionen Menschenleben auslöschen sollte, vollsaugt.

Das von sechs Händen adaptierte Originalwerk lässt keinen der pazifistischen Impulse aus, und der Einfallsreichtum des Schnitts von Sven Budelmann erinnert uns jedes Mal daran. Weder manichäisch noch ästhetisierend, auch wenn sich einige Einstellungen in die Länge ziehen, ermöglichen es die Leistungen der Schauspieler dem Film, über einer bloßen Inszenierung der Schlächtereien an der Aisne zu schweben. Der Österreicher Felix Kammerer ist übrigens ein dämmriger Darsteller. Nach den Verfilmungen von Lewis Milestone im Jahr 1930 und später 1979 durch Delbert Mann ist «Im Westen nichts Neues» die erste Adaption aus Deutschland, die Sie in den Bann zieht. Ein antimilitaristisches, schrilles und viszerales Werk, ein Schrei nach Frieden.

Filmkritik Théo Metais 4.5 von 5 Sterne

Übersetzung aus dem Französischen von Théo Metais durch Zoë Bayer.

12.10.2022

3

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Kommentare

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Patrick

vor einem Jahr

Der mehrfach Oscar Nominierte Kriegsfilm überzeugt durch eine geniale Kameraführung und einem famosem Szenen-Bild. Ein Film der ins Gehirn einprägt wird und das Sinnlose des Kriegs aufzeigt. Noch nie war ein Deutscher Film mit so vielen Oscars nominiert und noch nie war ein Deutscher Film als Bester Film nominiert. Fazit: Starker Tabak und erinnert an das ebenso Famose Kriegs Movie 1917.Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor einem Jahr


julianne

vor einem Jahr

Wieder eine Film Kritikerin mit null Ahnung wie fast immer auf Cineman ! Alles unter 5 Sterne ist eine Frechheit ! Leider im Kino verpasst aber es war schon im TV NETFLIX so grässlich Real grausam ! Habe schon extrem viele WAR Movies gesehen aber Realer grässlicher Grausamer kann man einen WAR nicht Darstellen ! Auf jeden Fall wäre bes. motion picture of the Year voll verdient bei den oscars ! Masterpiece in every Way ! Kunst pur das es zur absoluten Realität wird und mit Film nichts mehr zu tun hat ! Perfect für ein War TraumaMehr anzeigen


nichtstiller

vor einem Jahr

Die Produktion ist sehr hochwertig, die Schauspieler sind toll. Das Sounddesign ist mir zudem sehr positiv aufgefallen. Trotzdem fand ich den Film streckenweise langweilig, was mich erschreckte, weil doch während über zwei Stunden eine der grössten Tragödien des 20. Jahrhunderts gezeigt wurde. Die Sinnlosigkeit dieses Stellungskriegs kommt gut heraus. Ich habe kürzlich den Roman gelesen, der war bei mir schon immer auf der Liste der noch zu lesenden Klassiker. Leider hat die Lektüre dazu geführt, dass der Film schlechter bewertet werden muss, weil er so viele meisterhafte Passagen einfach auslässt.Mehr anzeigen

Zuletzt geändert vor einem Jahr


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