Letzter Abend Deutschland 2023 – 90min.

Filmkritik

Kaleidoskop (post-)pandemischer Befindlichkeiten

Irene Genhart
Filmkritik: Irene Genhart

Ein junges Paar – er ist Musiker, sie Ärztin – plant nach dem Lockdown den Umzug von Hannover nach Berlin. Das Abschiedsfest im Kreis der Freund:innen läuft aber, befeuert von Meinungsverschiedenheiten, persönlicher Empfindsamkeit und (Zukunfts-)Ängsten, zunehmend aus dem Ruder. Ein tragikomisches Drama, das leichtfüssig auch ernste Themen des Zeitgeistes abhandelt.

Bevor sie von Hannover nach Berlin umziehen, laden die Ärztin Lisa und der Musiker Clemens zu einer Party. Es gelten zwar noch Pandemie-Auflagen und Gäste treffen nur zögerlich ein. Vorerst gibt man sich heiter. Im Laufe des Abends aber kommen immer häufiger kultur- und klimapolitische Fragen auf und persönliche Befindlichkeiten beginnen die Stimmung zu drücken. Und Clemens, der nach langer, depressiver Phase für Lisa einen neuen Song komponiert hat, findet kaum Gelegenheit, diesen vorzuspielen.

Dass, je länger Feste dauern, sie nicht immer heiterer, sondern oft auch desaströser verlaufen, weiss man aus eigener Erfahrung ebenso wie aus Filmen wie «Festen». Lukas Nathrath hat ein solches zur Grundlage seines ersten Spielfilms gemacht und tastet dabei nach dem Lebensgefühl heutiger Erwachsener um die 30.

Im Zentrum steht ein Paar, das die Pandemie sehr unterschiedlich erlebte. Der angehenden Ärztin bescherte sie glänzende Berufsaussichten. Der Musiker aber sah seine Karriere zerbrechen und steht nun vor dem Nichts. Nathrath hat rund um die beiden ein halbes Dutzend Figuren arrangiert: da gibt es den egozentrischen Schauspieler, die naive Aktivistin, eine wohlmeinende Esoterikerin und einen (ein-)gebildeten Schönling, die alle Zeitgeist von heute vertreten.

«Letzter Abend» wurde in kurzer Zeit gedreht und wirkt in vielem improvisiert. Doch das dürfte täuschen. Die genuschelten Dialoge verweisen aufs Mumblecore-Genre. Die Eskalation ist exakt angesteuert und vermeintlich verfahrene Situationen werden geschickt aufgelöst. Ein starkes Regiedebüt.

13.06.2024

4

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