Kurt Cobain: Montage of Heck USA 2015 – 132min.

Filmkritik

Blick ins Innerste

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

Brett Morgen nähert sich in seinem Dokumentarfilm der Person Kurt Cobain wie niemand zuvor. Dies, weil ihm Courtney Love bedingungslosen Zugang zum Nachlass des Nirvana-Sängers gab.

Am 5. April 1994 richtete sich Kurt Cobain in die Garage seines Hauses selbst – und wurde so unsterblich. 21 Jahre später ist sein Leben und Nirvanas Aufstieg in den Superstardom in unzähligen Varianten aufgearbeitet worden. Brett Morgen schuf nun mit Kurt Cobain: Montage of Heck ein filmisches Dokument, das trotzdem eine neue, äusserst intime Perspektive einnimmt – die nämlich von Cobain selbst. Möglich machte das Courtney Love, die Morgen bedingungslosen Zugriff auf den Nachlass ihres verstorbenen Mannes gewährte. Zeichnungen, Tagebücher, Audio-Kassetten und Videoaufnahmen erschlossen dem amerikanischen Filmemacher das Innerste des Sängers. Fragmente dieser Relikte zeigt er im Film bevorzugt animiert – um ihre Intensität zu steigern, im Falle von gesprochenen Monologen aber auch zur Visualisierung von Szenen.

Zu diesem sensationellen Fundus fügt er Interviews mit Cobains nächsten Personen hinzu. Nicht nur Love, Cobains frühere Freundin Tracy Marander und Krist Novoselic (den er bezeichnenderweise als Freund von Cobain, und nicht als ehemaligen Nirvana-Bassisten einführt) bringt er vor die Kamera, sondern auch die Eltern, die Stiefmutter und die Schwester. Frei von Zurückhaltung erzählen sie von Cobain, und legen damit die kantige Bruchstelle in seinem Leben frei: Dem Zerfall der Familie, der ihn stark traumatisierte.

Als chronologisch montierte Collage ist Kurt Cobain: Montage of Heck nicht als Bandbiografie zu verstehen, sondern als Porträt eines zu kurzen Lebens. Trotzdem ist die Musik Nirvanas stets präsent, sei es durch kraftvolle Live-Mitschnitte, durch Studioaufnahmen, aber auch durch diverse Abstraktionen. Ob diese Abwandlungen bei eingefleischten Fans der Band Gefallen finden, sei dahingestellt. Genauso wie die Tatsache, dass Nirvana-Drummer Dave Grohl als Gesprächspartner ausgespart wurde.

Der Gehalt der Doku übersteigert diese Kritikpunkte jedoch bei weitem. Wenn Morgen eine Animation aus dem Notizen Cobains brachial inszeniert, offenbart sich der Schmerz dieses Künstlers vehement und ungezügelt. Es ist dies die Intensität, die man in den Liedern Nirvanas erfährt. Musiker und Mensch Cobain sind hier eins.

Man erfährt nebenbei aber auch erneut die Dualität seiner Musik. Cobain konnte noch so schreien, Gitarren brüsk verzerren und auf der Bühne zu Kleinholz machen: Seine Stücke waren im Kern bestechend melodische Popsongs. Der Erfolg, der Cobain in einen goldenen Käfig einsperren sollte, schien rückblickend unvermeidbar. Wie das Ende dieses sensiblen Menschen wohl auch.

07.05.2015

4

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Kommentare

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yolande

vor 9 Jahren

Toll!


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